Eine Frau prüft Abstände

Unsere Schulausbildung ist heute – und das bereits seit zwei Jahrzehnten – überwiegend „handwerkslos“. Schüler machen nichts mehr mit ihren Händen, nur noch mit dem Kopf. Eigentlich überraschend. Jeder Mensch würde die Ansicht teilen, dass Kreativität von Kindesbeinen an gefördert werden sollte. Der Glaube an kreatives Lernen und Tun, bei dem die schöpferischen Kräfte des Menschen im Mittelpunkt stehen, war schon der Ausgangspunkt für die Gründung des modernen Kindergartens im Jahr 1873 durch Friedrich Fröbel. Schon damals erfand Fröbel (bewusst oder unbewusst) einen Bildungsansatz, der auch ideal auf die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts zugeschnitten wäre: eine Pädagogik, die auf Interaktion mit der Umwelt setzt und den Kindern die Möglichkeit bietet, mit Spielzeug, Bastelmaterial und anderen Gegenständen zu interagieren. Man sollte also meinen, dass das kreativ-gegenständliches Lernen seinen festen Platz im Kita- und Schulalltag haben sollte, gerade in Deutschland, wo Reformpädagogik hoch im Kurs steht. Doch das ist nicht der Fall. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts fiel dieser Unterricht den Reformen zum Opfer. In der modernen Wirtschaft, so die Begründung, müsse man nicht bohren können. Statt an der Werkbank zu stehen, saßen die Kinder nun auf der Schulbank und lasen Texte über Berufsfelder. Früher hatten Schulen häufig Holz- und Metallwerkstätten, wo das Fräsen, Löten, Sägen und Schleifen unterrichtetet wurde. Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit werden kaum mehr gelehrt, die Handarbeit ist komplett zurückgedrängt – in der Berufsausbildung durch Maschinen und digitale Tools und in der Schule durch Kopfarbeit.

Der Status quo also: eine Welt, in der die Hände nichts mehr zu tun haben. Unzählige technische Geräte verbessern und ersetzen heute den Spielraum der Hand. Die Arbeit der Zukunft ist Wissensarbeit ohne Hände, und unsere Geräte agieren durch gesprochene Befehle. Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass Kinder fast überhaupt nicht mehr in Berührung mit der gegenständlichen Welt kommen. Es benötigt nicht viel Phantasie, um zu verstehen, dass Sinnesorgane Anregung brauchen, um zu funktionieren, sie müssen benutzt werden, um nicht zu verkümmern. Anregungen für vielseitige Sinneserfahrungen gehen von der räumlichen Gestaltung der Umwelt aus und der Art, wie wir uns in ihr zurechtfinden.

Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer mediatisierten Welt auf, in der Erfahrungen aus zweiter Hand gewonnen werden. Diese Welt ist technisiert, sodass es schwieriger wird, Zusammenhänge zu begreifen. Unsere Welt besteht aus einseitigen Sinneserfahrungen, die ein Unterangebot an Reizen in körpernahen Sinnbereichen bieten. Folge: Kindern fehlt die ausbalancierte Stimulierung aller Sinne. Sie leben in einer reizintensiven Umwelt, ohne Zeit und Gelegenheit zu haben, die Vielzahl der Reize zu verkraften. Und so scheint es unvermeidlich: Weil in der heutigen Lebenswelt die Voraussetzungen für eine vielseitige Sinneserfahrung nicht mehr gegeben sind, müssen gezielt Situationen – auch in der Schule – geschaffen werden, um einseitige Reize auszugleichen. Aktuelle pädagogische Konzepte haben noch keine befriedigende Antwort auf die Frage gefunden, wie sich die heutige, digital geprägte Lebenswirklichkeit mit einem Bildungsansatz verbinden ließe, der die ganzheitliche sinnliche Wahrnehmung berücksichtigt.

Handwerk ohne Jugend

Das Ergebnis der Akademisierung der Schulbildung ist nun zu besichtigen: wir haben die ersten zwei Generationen, die ohne Handwerk aufgewachsen sind. Alarm schlägt nun die Wirtschaft, und zwar in zahlreichen europäischen Ländern. So auch in Deutschland: Fast alle handwerklichen Betriebe in Deutschland leiden unter einem chronischen Mangel an Jugend, und es gibt praktisch kaum mehr junge Menschen, für die Handwerk ein Lebensinhalt darstellt. Laut einer Studie des „Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung am Institut der deutschen Wirtschaft“ (KOFA) vom April 2021 fehlen dem Handwerk 54.000 Gesellen und 5.500 Meister, 28.000 Ausbildungsplätze im Handwerk sind in diesem Ausbildungsjahr noch unbesetzt. Es kommen immer weniger junge Menschen nach, vor allem immer weniger solche, die die Voraussetzungen mitbringen könnten, in einem anspruchsvollen Segment des Handwerks zu arbeiten.

Was tun? Die „KOFA-Studie“ versucht sich in Antworten. Sie stellt z.B. heraus, dass es angesichts des Fachkräftemangels von besonderer Bedeutung sei, die duale Ausbildung im Handwerk transparent zu machen und möglichst „zielgruppengenau“ zu kommunizieren. Insbesondere sei es wichtig, Berufe für Schülerinnen und Schüler in der Phase der Berufswahlorientierung erlebbar zu machen, beispielsweise durch Praktika oder Schulkooperationen. In der separaten Handlungsempfehlung „Schulkooperationen gestalten“ geht das „Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung“ auf die Zusammenarbeit zwischen Schulen und einzelnen Unternehmen ein. Durch eine Kooperation mit einer Schule könnten Unternehmen die Schülerinnen und Schüler schon früh ansprechen, um sie für eine Ausbildung im eigenen Haus zu begeistern. Dies sei eine gute Möglichkeit, um dem Fachkräftemangel selbst aktiv zu begegnen.

Die Vorteile für die Unternehmen bestünden laut der Studie in der Stärkung der Personalauswahl, der Erhöhung der Passgenauigkeit der Auszubildenden sowie in der Erhöhung des Prestiges des Unternehmens als Ausbildungsbetrieb. Schulen wiederum profitierten durch eine Kooperation vom Expertenwissen aus der Praxis und könnten ihren Schülerinnen und Schülern wertvolle Einblicke in unternehmerisches Handeln und wirtschaftliche Zusammenhänge eröffnen. Derzeitige Praxisbeispiele wie der „Arbeitskreis Schule Wirtschaft“ informieren Jugendliche über Ausbildungsmöglichkeiten in Unternehmen. Für „kooperationserfahrene Profis“ empfiehlt die Handlungsempfehlung Schulen und Unternehmen, im Sinne einer „Verantwortungsgemeinschaft Bildungsprozesse gemeinsam zu erarbeiten“. Diese könnten unterschiedliche Formen annehmen wie Projektarbeiten, Patenschafts- und Mentorenprogramme, die Unterstützung von Schulveranstaltungen, Eltern-Aufklärungsarbeit oder die Mitgestaltung von Unterrichtseinheiten. Soweit die Ideen der KOFA-Studie.

Handwerk an der Schule: je früher, desto besser

Ist die Berufsorientierung aber nur dazu da, den Betrieben Auszubildende zuzuführen? Kann es nicht um mehr gehen, vielleicht eine grundsätzliche Orientierung im Leben? Ausbildung oder Studium? Welchen Vorbildern folgen? Für was oder welche Werte möchte ich mich einsetzen? Könnte ich mich trauen, auf das Studium zu verzichten, um eine handwerkliche Meisterausbildung anzufangen? Eine punktuelle Erfahrung in einem Betrieb kann Hinweise zur Beantwortung dieser Fragen liefern, ist aber kein Ersatz für eine grundlegende Orientierung.

Neue Bildungskonzepte müssen viel früher ansetzen. Schon in den ersten Jahren der Schule sollten die Schüler auf eine (vom Arbeitsmarkt unabhängig gedachte) spielerische Art lernen, kreativ zu denken und zu handeln. Bereits vor der eigentlichen Phase der Berufsorientierung müsste es Schülern möglich sein, ihre Talente zu entdecken. Die Entwicklung der natürlichen Talente hat viel mit dem Umfeld zu tun, in dem Kinder aufwachsen und den Möglichkeiten, die ihnen geboten werden. Es müsste eine Kultur etabliert werden, bei der Kinder und Jugendliche langfristig und begleitend zur Schule – vom Schulbeginn in der 1. Klasse bis zum Abschluss – über mehrere Jahre ihre Interessen, kreative Energien und Talente, vielleicht auch handwerkliche, entdecken können.

Erste Ansätze gibt es bereits. Der design-didaktische Ansatz, den das Direktorenhaus in Berlin in Zusammenarbeit mit Pädagogen, Designern und Lernforschern entwickelt hat, will helfen, das Handwerk wieder an die Schulen zu bringen. Dieser Bildungsansatz setzt auf Erkenntnisse von Design Thinking, Synästhesieforschung und Psychologie auf und folgt Erfahrungen aus der Lernforschung. Grundlage bietet die Erkenntnis, dass Kreativität auf dem Fundament einer ganzheitlichen Wahrnehmung entsteht. So wie eine Melodie nicht die Summe einzelner Töne ist, ist Wahrnehmung ein ganzheitlicher Vorgang: die Verschmelzung mehrerer Eindrücke zu einer Gesamtempfindung („Synästhesie“). Ein „design-didaktischer“ Ansatz verfolgt das Ziel, Schüler auf ganzheitliche kreative Weise experimentieren zu lassen, z.B. im Rahmen von Projektwerkstätten im außerschulischen Bereich, die jedoch fester Teil der Schule sind: entweder als teilstationärer Werkstatt-Raum oder – noch besser – als separates Atelierhaus, das wie ein kulturell grundierter Maker Club fungiert. Der Club könnte inhaltlich und architektonisch so konzipiert werden, dass er optimale Voraussetzungen zur Aneignung von Erfahrungen bietet, die alle Sinne ansprechen: als Inspirationsraum, als Bühnenwerkstatt des Lebens. Ein Maker Space, der nur Tools bereitstellt, ist zu wenig und zu maskulin gedacht. Wissensvermittlung muss aus ihren sinnlichen Ursprüngen abgeleitet werden. Damit werden Ideen der ästhetischen Bildung aufgegriffen, wie sie auch z.B. bereits im Bauhaus aktuell waren.

Im aktuellen Lernansatz des Direktorenhauses werden u.a. auch Forschungsansätze fruchtbar gemacht, die etwa am MIT Media Lab um den Professor für Lernforschung Mitchel Resnick entwickelt wurden, deren Erkenntnisse sich auf die vier Leitprinzipien zusammenfassen lassen: „Projects (Projekte), Passion (Leidenschaft), Peers (Freunde) und Play (Experimente)“. Dieser Ansatz geht davon aus, dass der beste Weg zur Förderung von Kreativität darin besteht, Schüler darin zu unterstützen, an Projekten zu arbeiten, die in ihnen Leidenschaft entfachen, um zusammen mit gleichgestellten Freunden und Bekannten in diesem Rahmen spielerisch zu experimentieren. Dieser Ansatz ist nicht technikskeptisch, sondern Technologie gegenüber neutral. Er bewertet technische Tools in diesem Zusammenhang nicht ethisch, sondern versucht, unabhängig von moralischen Kategorien nach Aktivitäten zu suchen, die den kreativen Ausdruck der Kinder fördern – ganz egal, ob der Weg über High-Tech, Low-Tech oder No-Tech gefunden wird. Aus dem design-didaktischen Ansatz heraus wurde das Konzept des Urban Maker Clubs entwickelt.

Der Urban Maker Club orientiert sich an der heutigen Schülergeneration; dies bedeutet, dass bei den „Digital Natives“ ein Fehlen von digitalen Angeboten und Werkzeugen gar nicht mehr gedacht werden kann. Der Urban Maker Club ist daher kein vollständig nur analoger Raum.

Er ist aber auch kein digitaler Maker Space, bei dem nur 3D-Drucker und Laser-Cutter bedient werden. Letztlich sind auch dies nur Computer, die per Knopfdruck bedient werden, und es ist Ziel des Urban Maker Club, händische und sensorische Fähigkeiten zu schulen. Aus diesem Grund ist die Auswahl der Tools und die Balance zwischen analogem Atelier und High-Tech-Werkstatt für den Urban Maker Club entscheidend. Die Bühnenwerkstatt – als Verbindung von analogen und technologischen Schaffensprozessen, die auf ein Projekt (Requisiten, Bühnenbild, Vorstellung) hinzielen, kann hier ein gutes Vorbild und Metapher sein.

Interessant für das Konzept des Urban Maker Clubs ist es, die motivierende und kommunikative Macht der sozialen Netzwerke zu nutzen. So ist der Urban Maker Club bewusst ein „Club“, nicht bloß ein „Space“. Als Club bringt er Schüler zusammen und verknüpft Aktivitäten, Projekte und Prozesse. Schüler können sich – über die Schulgrenzen hinaus – vernetzen und sich gegenseitig ihre Werkstücke oder anderweitigen Erfolge vorstellen. Sie können kollaborativ Projekte entwickeln.  

Das freiwillige kreative Jahr

Einen anderen Ansatz, wenngleich ähnlich in der Stoßrichtung, verfolgen die „Kurtheater-Werkstätten“ in Bad Freienwalde. In der Kurstadt, die durch ihr Moorheilbad bekannt wurde und in den goldenen Zwanziger Jahren der „Gesundbrunnen“ Berlins war, entsteht gerade eine in Deutschland neuartige Berufsorientierungsschule. Im Rahmen eines „freiwilligen kreativen Jahres“ können hier junge Menschen – nach ihrem Schulabschluss und vor der Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums – ihre Talente in verschiedenen Berufsfeldern erproben und sich über ihre persönlichen Interessen klar werden.

Inspiriert sind die Kurtheater-Werkstätten durch das Konzept dänischer Jugendvolkshochschulen („Højskole“). Im Fokus stehen künstlerische und gestaltende Fächer. Die Schule greift die aktuellen kulturellen und gesellschaftlichen Strömungen unserer Zeit auf und bringt sie mit zukünftigen Berufsfeldern im Kulturbereich, im Handwerk, in Medien, im Gesundheitswesen und anderen Bereichen zusammen. Neben traditionellen künstlerischen und handwerklichen Fähigkeiten, die geschult werden, spielen Grundlagen zum wirtschaftlichen Verständnis sowie neueste technologische und soziale Trends eine wichtige Rolle im Lehrplan.

Im ehemaligen Kurtheater, in dem auch der Maler Adolf von Menzel seine Sommerfrischen verbrachte, ist ein Ort für kreatives Leben entstanden, das auf Verantwortung, Toleranz und Gemeinschaft aufbaut. Viele verschiedene Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund kommen hierher, um sich in einem lebendigen künstlerischen Umfeld zu erproben. Die Studentinnen und Studenten übernehmen Aufgaben für die Gemeinschaft. Gute Kontakte und Freundschaften entstehen in der intensiven Atmosphäre des Aufenthaltes.

Die Kurtheater-Werkstätten wurden ursprünglich gegründet, um dem Fachkräftemangel im Handwerk entgegenzuwirken. Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, einen Lernort zu schaffen, eine spezialisierte Orientierungshochschule, an dem Bewerber und Unternehmen zusammenfinden können. Zugleich sollte die Bündelung von Disziplinen aus unterschiedlichen Bereichen – an einem Ort – Bewerbern die Möglichkeit geben, vielfältige Berufsrichtungen in kurzer Zeit kennenlernen zu können. Die entstandenen Wissens- und Erfahrungslücken zu schließen ist wichtig, da Handwerksexpertise immer wichtiger wird: in zahlreichen Produktions- und Dienstleistungssparten sind handwerkliche Qualitäten unabdingbar. In der nachhaltigen Wirtschaft mit Qualitätsproduktion, überschaubaren Produktionsmengen und einer verantwortungsvollen Nutzung von Rohstoffen; im Bauwesen und in der nachhaltigen Architektur. Viele Zukunftsthemen – 3D-Druck, demontierbarer Möbelbau, grüne Werkstoffe, Lichttechnik oder Robotik – benötigen handwerkliches und technologisches Wissen. Mit der Gründung der Kurtheater-Werkstätten sollte ein Anlaufpunkt geschaffen werden, an dem sich Jugendliche frei und ohne Beschränkungen von der Vielfalt der kreativen und handwerklichen Berufe begeistern lassen können, um einen Beruf zu wählen, der ihren Neigungen entspricht.

Semesterkurse dauern an den Werkstätten vier Monate. Innerhalb eines freiwilligen kreativen Jahres können ein oder zwei aufeinanderfolgende Semester absolviert werden. In den ersten zwei Monaten wählen die Schülerinnen und Schüler 3 Fächer, für die letzten 2 Monate nur ein Fach. Die Idee dahinter ist, dass zu Beginn des Aufenthaltes die Vielfalt und das fächerübergreifende Ausprobieren im Vordergrund steht, während gegen Ende die Konzentration auf ein Gebiet gelegt werden soll, um mögliche zukünftige Ausbildungs- oder Studienwege zusammen mit den Lehrern vorzubereiten. Die Theater-Werkstätten sind der Ort, der Raum für das spielerische, kreative Entdecken schafft und gleichzeitig eine persönliche, konkrete Berufsplanung ermöglicht.

„Finde heraus, worin Du gut bist“ – auf diesem Motto basiert das Curriculum der Schule.

Die Kurtheater-Werkstätten geben jungen Menschen Zeit und die Ruhe, zu entdecken, was sie wirklich mit ihrem Leben und ihrer Ausbildung anfangen wollen. Sie werden Teil einer Gemeinschaft und können unabhängig von zeitlichen und anderen Beschränkungen mit ihren Talenten experimentieren. An der Schule bauen sie ein Netzwerk engagierter und kulturliebender Menschen auf, das ihnen dabei helfen kann, die eigenen Träume zu verwirklichen.

Zu den Fächern, die in den Semesterkursen angeboten werden, zählen: Fotografie, Animation, Architektur, Landschaftsarchitektur, Design, Malerei und Zeichnen, Sound Design, Keramik, Grafikdesign, Robotik und KI, Video, Skulptur sowie literarisches Schreiben.
Die Ausbildungsinhalte zielen auf mögliche Berufe im kulturellen Bereich. In gleichem Umfang stehen aber auch andere Berufe im Fokus, vor allem solche, bei denen Menschen auch auf baldige Sicht nicht durch Maschinen und Roboter ersetzt werden können. Weitere zukunftssichere Berufsfelder – wie z.B. in Bereichen Hörakustik, Mediengestaltung, Virtual Reality oder im weiten Feld der Gesundheit – werden mit den Ausbildungsinhalten verknüpft. Exkursionen und Besuche in Ateliers, Kultureinrichtungen und Betrieben in der Region geben einen praktischen Einblick in verschiedene Arbeitsgebiete.

Regionales Ausbildungsnetzwerk

Die Kurtheater-Werkstätten verstehen die eigene Ausbildung als alternative Ergänzung zum „Freiwilligen Sozialen Jahr“ oder „Freiwilligen Ökologischen Jahr“. Im Sinne eines „freiwilligen kreativen Jahres“ richten sich die Werkstätten an alle, die sich eine berufliche Zukunft in kreativen Feldern vorstellen können.

Nach der Ermöglichung einer besseren Berufsorientierung wollen die Werkstätten den Übergang vom reinen Lernbetrieb der Schule zu einer praktischen Ausbildung erleichtern. So kooperiert die Schule mit regionalen Ausbildungsbetrieben und ermöglicht so einen behutsamen Übergang von der Berufsorientierung in eine Ausbildung.

Zum Glück können die Theater-Werkstätten auf ein großes Netzwerk an Unternehmen zurückgreifen. Sie sind organisatorisch eingebettet in die „Deutsche Manufakturenstraße“, einem Netzwerk von über 900 handwerklich orientierten Unternehmen in Deutschland. Ungefähr 30 Ausbildungsbetriebe der Region sind eng an die Schule angegliedert. Für sie übernehmen die Theater-Werkstätten die Funktion einer „Überbetrieblichen Ausbildungsstätte“.

Die Idee hinter den Theater-Werkstätten ist, dass junge Menschen heute eine andere Berufsorientierung brauchen. Für die „Generation Z“ ist es besonders schwer, sich für einen Beruf zu entscheiden. Nach vielen Schuljahren stehen Jugendliche plötzlich berufliche Möglichkeiten offen. Doch sind die Orientierungslosigkeit und Verunsicherung in Bezug auf die berufliche Zukunft dank Pandemie, Inflation und Digitalisierung so groß wie nie. Rund 25 % der Ausbildungsverträge in Deutschland werden frühzeitig aufgelöst, die Abbrecherquote bei Bachelorstudiengängen ist ähnlich hoch. Laut einer OECD-Studie liegt der Anteil junger Erwachsener in Deutschland ohne Abitur oder abgeschlossener Berufsausbildung über dem Durchschnitt aller Industrienationen bei 16 %. Der Negativtrend hält an. Die jungen Menschen selbst kostet die Neuorientierung Zeit und Kraft. Für die Betriebe und die Staatskasse verursachen die hohe Abbrecherquoten reale Kosten, die langfristig eine Gefahr für die Wirtschaft werden können. Berufsinhalte haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Neue Berufe müssen erklärt werden. Mögliche Berufsfelder bleiben abstrakt, praktische Erfahrungen sind während der Schulzeit selbst rar. Die Kurtheater-Werkstätten möchten jungen Menschen eine praxisbezogene und authentische Berufsorientierung im Rahmen eines halben oder ganzen Jahres bieten, in dem die Akademie die bereits vorhandenen Kompetenzen dieser Generation weiterentwickelt und durch eigene Praxisprojekte mit aussichtsreichen, zukünftigen Berufsfeldern verknüpft.

Die Theater-Werkstätten wie auch der Urban Maker Club bieten Anlaufpunkte, an dem sich Jugendliche frei und ohne Beschränkungen von der Vielfalt der kreativen und handwerklichen Berufe begeistern lassen können, um einen Beruf zu wählen, der ihren Neigungen entspricht. Um das Realität werden zu lassen, muss allerdings das freiwillige kreative Jahr offizielle Anerkennung im Rahmen der Freiwilligendienste erlangen so wie das ökologische oder soziale Jahr. 

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