Paul Eluard wusste es. Die Welt ist ein Knoten von Konflikten, und in den Augen eines beschlagenen Menschen kann die politische Komplexität den Rahmen des Nachvollziehbaren schon überschreiten. Oder verstehen Sie genau, was überall passiert?
Wir erleben dieser Tage das Schauspiel einer sich rasant abbauenden demokratischen Grundordnung in den USA. Dieser Umbau des Staatsapparates erfolgt mit einer frappierenden Offenheit: Es gibt mit „Project 2025“ einen nachlesbaren Action-Plan für diesen Umbau, und wenn Trump eine Verschiebung von Freiheitsrechten verkündet, dann erfolgt dies mit der ihm eigenen Eleganz, wenn er im Oval Office ein Dekret in die Kameras der Weltpresse hält und man weiss: nun dürfen Transgender-Personen nicht mehr zum Militär, die Entwicklungshilfe wird ausgesetzt, Migranten aus Venezuela werden ohne reguläres Verfahren ausgeflogen.
Ungarische Verhältnisse? Die Nachvollziehbarkeit von Politik und Verwaltung sowie die Möglichkeit, politische Realitäten nicht nur durch Wahlen zu beeinflussen, sondern auch während der Dauer einer Legislaturperiode zu hinterfragen, notfalls gerichtlich – eben dieses „Controlling“ gehört zu den Errungenschaften unserer freiheitlichen Demokratie, das derzeit in den USA auf die Probe gestellt wird. Und in Europa, in Deutschland? Wir können erstmal glücklich sein, dass die Gewaltenteilung und vieles andere funktioniert und die Republik, mit engagierten Debatten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, von unerschütterlicher Rechtsstaatlichkeit geprägt ist. Aber man sollte hier und da doch genau hinschauen.
Zugang zu Information (in der Theorie):
Der Fall „Amthor“
Wer etwas wissen will, fragt nach. Das gilt auch, wenn der Staat befragt werden soll. Informationsrechte besitzt nicht nur die Presse, sondern jeder. Sie sind im IFG verankert, dem „Informationsfreiheitsgesetz“. Ein sogenanntes Jedermannsrecht: eine Behördenauskunft kann damit erfragt (und muss auch erteilt) werden, grundsätzlich wird eine eigene rechtliche oder tatsächliche Betroffenheit des Anfragenden in Bezug auf den möglichen Missstand nicht verlangt. Journalisten sind dabei in der Lage, weitreichender nachzufragen als Bürger. Sie können Auskünfte von Behörden im Eilverfahren gerichtlich erzwingen und haben so in der Vergangenheit auch zahlreiche Missstände aufdecken können (wie etwa den Glyphosat-Monsanto-Skandal) oder auch nachträglich rekonstruiert, wie während der Corona-Pandemie der Staat versucht hat, Bürger gezielt zu lenken. Cum-Ex, Monsanto, Frontex – es sind natürlich die großen Themen, die Gegenstand des Medieninteresses sind, die es wirtschaftlich rechtfertigen, ein Investigativ-Team für die Recherchen mit ungewissem Ausgang zu finanzieren. Bei kleineren Themen steigt die Presse aus bzw. gar nicht erst in den Ring.
Zurück zum einzelnen Bürger: Jeder Bürger, jede Bürgerin hat z.B. die Möglichkeit, über die webbasierte Anfrageplattform „Frag den Staat“ Zugang zu amtlichen Informationen zu bekommen. Das Informationsfreiheitsgesetz bietet die rechtliche Basis für Anfragen dieser Art, die derzeit noch von der Open Knowledge Foundation Deutschland e. V., einer Berliner NGO, vermittelt werden.
Im Zuge der Koalitionsverhandlungen hatte sich nun die CDU, vorangetrieben durch Philipp Amthor, für eine Abschaffung des IFG stark gemacht. Abschaffung deshalb, da die Anfrageflut angeblich zu einer übergroßen Belastung der Verwaltung führe. Unter dem Schlachtruf der Verwaltungsmodernisierung, die als solche zweifellos überfällig ist, wurde die Idee zur Abschaffung des Gesetzes aufs Spielfeld eingerollt, zunächst nur mit einem kurzen Satz. Der hatte es aber in sich. Die Bombe war gezündet!
Die Behörde als unentwirrbare Größe
Das Problem reicht tiefer. Für die Erkenntnis des Konkreten wünscht man sich, Franz Kafka würde durch die Tür treten und uns darauf hinweisen, dass die Möglichkeit zur Auskunft nicht gleichbedeutend ist mit dem Erhalt einer tatsächlichen Aussage. Kafka hatte in seinen Beobachtungen zur Herrschaftsform der Bürokratie, die er in den beiden Romanen „Das Schloß“ und „Der Process“ sichtbar machte, beschrieben, wie sich seine Protagonisten durch ein Labyrinth undurchsichtiger Verhältnisse bewegen und diesen anonymen Mächten ausgeliefert sind. Josef K., der tragische Held im „Process“, scheitert bereits an der ersten Stufe: er findet keinen Zugang zu Gericht. Die Bürokratie hat sich verselbstständigt und entmenschlicht, und es ist genau diese Wand der Ungreifbarkeit, gegen die die bürgerlichen Freiheitsrechte anlaufen. Hannah Arendt sagte später sinngemäß, dass die Bürokratie juristisch gesprochen und im Gegensatz zur Gesetzesherrschaft das Regime der Verordnungen sei; in der Bürokratie werde die Macht, die in Verfassungsstaaten nur der Ausführung der Gesetze dient, zur direkten Quelle der Anordnung.
Das Problem besteht bis heute. Eine Auskunft kann, selbst wenn sie gerichtlich einforderbar ist, schwammig bleiben, wenn die Behörde damit ihre Pflicht zur Auskunftserteilung erfüllt hat. Wenn – wie z.B. bei informellen Beteiligungsprozessen – politisches Vorgehen nicht justiziabel ist, sind Aussagen, Festlegungen, Zuständigkeiten gar nicht einforderbar.
Wenn also der Zugang zu Information durch die Beschränkung des „Informationsfreiheitsgesetzes“ dornig und steinig wird, dann gilt das erst recht für die Frage, welcher Art Qualität eingeforderte Antworten von Behörden oder politisch Verantwortlichen hinsichtlich ihrer Rechtsstaatlichkeit haben. Wir stehen also vor der Frage: wollen wir echte Kontrolle oder Simulation von Kontrolle? Menschen, die unter dem Regime der Verordnungen leben, so Arendt in „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, wissen niemals, was oder wer sie eigentlich regiert, weil Verordnungen an sich immer unverständlich seien und die Umstände und Absichten, die sie verständlicher machen könnten, von der Bürokratie immer sorgfältig verschwiegen werden, als handele es sich gerade hier um die höchsten Staatsgeheimnisse.
Gehen wir einen Schritt weiter. Heute ist es nicht nur die Effektivleistung von Verordnungen. Sie sind durchschlaggebend, weil sie die vermittelnden Stufen zwischen Gesetzgebung, Veröffentlichung und Exekution vermeiden und sich dadurch gar keine Gelegenheit zu Diskussion und Meinungsbildung bietet. Dasselbe trifft auf eine andere Praxis zu: die interne Absprache zwischen Interessensgruppen.
Es gibt viele Fälle, darunter viele Fälle, die wir nicht kennen, bei denen in kleineren Zirkeln, in Hinterzimmern, in Kamingesprächen, im SPA, im Berghain, in der Kantine des Bundestages, im Cafe Einstein auf dem Boulevard Unter den Linden oder im Hotel de Rome, auf den Fluren der Abgeordnetenhäuser oder Landesregierungen politische Entscheidungen von Tragweite entschieden werden. Diese politische Wirklichkeit ist kein Geheimnis, sie gab es auch zu Harry Graf Kesslers Zeiten und sie ist für sich genommen auch nicht verwerflich. Schwierig wird es dann, wenn politische Prozesse und Entscheidungen in ihrer Gesamtheit nicht mehr rekonstruiert werden können.
In Berlin fiel mir unlängst in diesem Zusammenhang ein besonderer Fall auf. Er steht nur exemplarisch für das „wicked problem“ der politischen Kontrolle.
Im Zentrum der Stadt liegt seit über hundert Jahren ein monumentaler Gebäudekomplex, ein zum Teil düsterer Palast, der früher einmal ein manufakturieller Fertigungsort war, eine Industriebrache. Er führt, und das entgrenzt die Fantasie, direkt ans schöne Ufer der Spree. Nachdem diese Akropolis über Jahrzehnte unbewegt vor sich hindämmerte, zogen Künstler und Musiker ein. Fast zwei Jahrzehnte beherrschen sie die Szene. Gestalten, die mit ihren Gitarren in ihre nicht beheizten Studios schlüpften und die, während sich alle anderen Bezirke Berlins weiter gentrifizierten, ungestört ihren künstlerischen Tätigkeiten nachgingen. Eines Tages beschließt die Stadt etwas Unerhörtes: Das Areal, das natürlich aufgrund seiner Größe und zentralen Lage ein prädestinierter Investitionsstandort für Immobilienspekulanten ist, soll nicht etwa geräumt und verkauft werden, wie es anderenorts oft der Fall ist, nein: er soll ein Ort der Kultur bleiben. Ein mutiger Schritt, denn es handelte sich eigentlich um einen lukrativ zu monetarisierendes Fleckchen Berlins. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die städtische Demokratie für einen Moment in ihrer Weitsichtigkeit gezeigt – die vormals durch Skandale gebeutelte Stadt schien gelernt zu haben, den Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger, ja der Kultur insgesamt den Vorzug zu geben gegenüber den Versuchungen des Marktes. In dieser historischen Sekunde schloss Berlin gedanklich zu Paris auf, zu Barcelona und Kopenhagen, zu den ganzen visionären Metropolen und Smart Cities, zu denen Berlin schon lange nicht mehr gehörte.
Die Jahre gingen ins Land. Bürgerinnen und Bürger waren aufgerufen, sich über einen Beteiligungsprozess in die Arealsentwicklung einzubringen, man hielt das Gelände offen für viele kulturellen Sparten und potenzielle Nutzer. Doch dann geschah folgendes: Nach einem Regierungswechsel entschied ein kleiner Kreis aus Abgeordneten, die niemand kannte, eine Kursänderung. Auf einmal sollte nun eine einzelne private Investorengruppe das Areal übernehmen können. Nicht im Wege des Kaufes (denn das hatte ein Auflagenbeschluss in der Vergangenheit ausgeschlossen), aber im Wege einer sehr langfristigen Pacht. Mit anderen Worten: Die Vergabe des Areals (Wert: viele hundert Millionen) erfolgte unter der Hand. Vorbei an der Öffentlichkeit, ohne Ausschreibung, ohne Wettbewerb, ohne politischen Auftrag.
»Am Ende wusste und weiß bis heute niemand, auf wen die Vergabe zurückzuführen war.«
Als die skeptisch gewordene Hauptstadtpresse nachfragte, wo im Kern die Entscheidung zu dieser Kursänderung gefallen war, also auf wen genau diese Komplettwendung zurückzuführen sei, begann eine große Schnitzeljagd. Die Kulturverwaltung, die jahrelang die Ressortführung innehatte, fühlte sich nicht mehr zuständig und konnte keine Auskünfte erteilen. Die landeseigene Immobiliengesellschaft, die die Immobilie verwaltete und auch den neuen Mietvertrag ausarbeitete, berief sich auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, konnte der Presse also keine Auskünfte zu laufenden Vertragsverhandlungen geben und wusste auch sonst nichts zu sagen, da sie ja nur politische Vorgaben erfüllte, aber nicht beschloss. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung war von der ganzen Angelegenheit überrascht und gar nicht involviert worden.
Die Senatsverwaltung für Finanzen war schließlich fachlich zuständig, verlor sich aber in allgemeinen Floskeln, die so weit gingen, dass sie noch nicht einmal die Wirtschaftlichkeit des Vorganges nachvollziehbar benennen konnte. Am Ende wusste und weiß bis heute niemand, auf wen konkret die Vergabe zurückzuführen war.
»Es gibt Gründe, warum eine journalistische Kontrolle ihre Grenzen schnell erreicht.«
Wo kein Kläger, da kein Richter. Um tatsächlich eine widerrechtliche Vergabe und deren Ursprung nicht nur behaupten, sondern belegen zu können, müsste ein Journalist oder eine Journalistin über ein schier unmögliches Kompetenzbündel verfügen: man müsste Kenntnisse und Verständnis zum Verwaltungsinnenrecht mitbringen, zum Vergaberecht, und das auf Landesebene. Die Journalisten hätten sich mit der Landeshaushaltsordnung auseinanderzusetzen, man hätte die Mitwirkungspflichten des Abgeordnetenhauses zu überprüfen und analysieren müssen, ob zustimmungspflichte Geschäfte vorliegen. Die Journalisten hätten die Handlungsspielräume der landeseigenen Immobiliengesellschaft abgrenzen müssen, die mögliche Bindung des vorangegangenen Beteiligungsverfahrens. Man hätte für den Beschluss einer Neuvergabe die wesentlichen Eckdaten und Berechnungen des Geschäfts recherchieren müssen. Dies hätte aber vorausgesetzt, dass der Journalist oder die Journalistin Angaben zu Objektwert, der Höhe der geplanten Pacht, zu Investitionszusagen des Pächters, zu Zuschüssen des Landes oder weiteren Auflagen an den Mieter bei Weitervermietung erhält. Diese Informationen werden aber nicht herausgegeben. Ohne Fakten ist es schwierig, überhaupt seriös einschätzen zu können, was da gerade vor sich geht. Zu beobachten ist nur, was offensichtlich ist: dass ein Stadtgebiet an fairen Ausschreibungen vorbei einem Interessenten zugespielt wird.
Wer soll das mitmachen? Der journalistische Aufwand, die notwendigen Informationen zusammenzutreiben ist so groß, dass jede Redaktionsleitung, die eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufmacht, zum Ergebnis kommen wird, dass nicht viel für eine Weiterverfolgung spricht. Es muss schon ein sehr starkes öffentliches Interesse mit einer emotionalen Geschichte glücklich zusammentindern, damit Öffentlichkeit entsteht. Es gibt Gründe, warum eine journalistische Kontrolle ihre Grenzen schnell erreicht. Die Welt ist komplex geworden.
Watch Dogs
Wer kann dieses Kontrollvakuum füllen? Sagen wir, ich entdecke als engagierter Bürger einen Mißstand. Welche Möglichkeiten habe ich nun, aktiv zu werden? Ich kann zu Demonstrationen aufrufen oder an ebensolchen teilnehmen, ich kann einer NGO beitreten, ich kann Bücher schreiben oder, wie es die Letzte Generation versucht hat, mich gezielt jenseits der Grenzen des gesellschaftlichen Akzeptierten einbetonieren, um mir Gehör zu verschaffen.
Und ich kann klagen. Die strategische Prozessführung (zum Beispiel für ambitioniertere Klimaziele) ist eine grundsätzlich existierende Möglichkeit, mit den Mitteln der Anrufung von Gerichten verbildliche Rechtsfolgen zu schaffen. Sie ist allerdings außerhalb der Sphäre von professionellen NGOs kaum bekannt und nicht ohne Hürden.
Die Theorie steht zunächst auf der Seite der Zivilgesellschaft. In den Debatten rund um die Postdemokratie wird schon länger ein „Legitimationsdefizit politischer Systeme“ ausgemacht, und diese „Watch-Dog-Klagen“ setzen genau dort an, wo es kompliziert wird, wo staatliche Machtausübung in komplexen Feldern kontrolliert werden sollte, was in der Rechts- und Politikwissenschaft zunehmend positiv bewertet wird. Sogenannte Klagekollektive bergen große demokratietheoretische Chancen. Sie sind eine Innovation.
Dass zivilgesellschaftliches Engagement staatliches Handeln kritisch begleitet, ist, so schrieben die Juristinnen Lisa Hahn und Myriam von Fromberg, die das Phänomen vor einiger Zeit untersuchten, nicht ganz neu. Es gehe um Protest mit Mitteln des Rechts, und ein Prozess sei dabei nur ein strategischer Baustein in einer langfristigen Agenda. Ein taktisches Musterverfahren eines Klagekollektivs vermochte auch in der Vergangenheit Politik zu verändern. Der einzelne Bürger, ob Patrizier, Plebejer, Frau, Mann oder divers, konnten und können sich dabei mit NGOs zu einer schlagkräftigen Zenturie zusammenschließen. Als etwa die Organisation JUMEN ihre Klagen zum Familiennachzug vorbereitete, setzte sie auf das Spielfeld ihrer juristischen Offensive einzelne „Musterkläger“, die durch andere Anwälte, Beratungsstellen, NGOs und Law Clinics im Hintergrund unterstützt wurden. Das Zusammenstecken solcher Klagenetzwerke ist, wie man vermuten darf, nicht unaufwändig; daher haben sich in den letzten Jahren vermehrt professionelle Prozessführungs-NGOs gebildet, die diese Klagen koordinieren.
Da steht er nun also, unser glücklicher Bürger, der den Kanal für seinen Aktivismus gefunden hat, bis er erkennt: die Mauer, über die er springen muss, ist hoch.
Der Blick der Gerichte ist stets auf den Einzelfall gerichtet und relativ eng. Der formal garantierte Weg zur Justiz steht vielen Menschen in Wahrheit nicht offen, etwa hilfsbedürftigen, nicht wahlberechtigten oder nicht organisierten Menschen. Gerichtsprozesse erfordern, je nach Fall, von den Einzelnen sehr große emotionale, zeitliche und finanzielle Ressourcen. Eine weitere Hürde ist staatliche Informationsmacht – hier wären wir wieder beim „Informationsfreiheitsgesetz“. Je schwieriger es wird, Einsicht in die staatlichen Tätigkeiten zu erhalten, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie von staatlichen Gerichten kontrolliert werden können. Letztlich ist auch hier – wie bei Presserecherchen – die hohe Komplexität der Sach- und Rechtsfragen eine ziemliche Wand. Doch der wirkliche Schlag, der das beherzte Engagement auf den bitteren Boden der Tatsachen streckt, ist wahrscheinlich die Kostennote: Prozesse sind einfach teuer. Vor Höchstgerichten wie dem Bundesgerichtshof gilt Anwaltszwang und die Kostenverteilung zu Lasten der unterlegenden Partei, und selbst wenn Sie auf niedrigeren Instanzen komplexe Themen prüfen lassen wollen, sind Sie bereits ein Vermögen los. Daher bleibt es dabei, dass es gerade für ressourcenschwache und im politischen Wettbewerb strukturell unterlegene Personen kaum möglich ist, den Rechtsweg zu nutzen, um staatliches Handeln retrospektiv oder präventiv zu überprüfen.
Ziviles Engagement als Bedrohung des Staates?
Der Vorstoß von Philipp Amthors CDU, den Blick in verborgene staatliche Prozesse durch die Einschränkung des Informationsfreiheitsgesetzes zu blocken, fördert eine Tendenz, die schon seit längerem zu beobachten ist: den Versuch, den Einzelnen unter der Flagge verschiedenster politischer Großprojekte (Klima, Aufrüstung, Corona, Verwaltungsmodernisierung) in seinen Rechten zu beschneiden. Das Gegenteil sollte der Fall sein: Nach dem Leitbild des aktivierenden Staates, das in der Politikwissenschaft eigentlich schon seit vielen Jahren common sense ist, werden Bürgerinnen und Bürger als „zivile Subjekte“ verstanden, die staatliches Handeln mitgestalten und kontrollieren können. Ein Staat, der im öffentlichen Engagement seiner Leute eine Bedrohung oder eine Last sieht, darf sich nicht wundern, wenn sich diese von der politischen Führung abwendet.
Es muss die Möglichkeit zu kollektiven Rechtsschutzinstrumenten geben. Gerade weil der Journalismus seiner Gatekeeper-Funktion aus wirtschaftlichen Gründen oft nicht mehr nachkommt, ist es umso wichtiger, dass neuartige Kommunikationsstrukturen der Bürgerbeteiligung und -information entstehen. Und eines bleibt eine einfache Wahrheit: Transparenz hat noch nie geschadet. Transparenz auf allen Seiten: zivilgesellschaftliche Klagekollektive müssen sich ebenso ausweisen (denn auch sie können Klagewege für ihre Interessen missbrauchen) wie die Verwaltung transparenten Einblick in eigenes Handeln geben muss. Zeitgemäße demokratische Strukturen benötigen innovative Methoden für innen und Transparenz nach außen durch Selbstverpflichtungen. Eine Regierung, die das Recht auf Information abschafft oder begrenzt, hält seine Bürgerinnen und Bürger auf zu große Distanz.